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Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises in der Frankfurter Paulskirche

Am heutigen Sonntag um 11.00 Uhr hat das ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN in einer feierlichen Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche erstmalig den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis verliehen. Die Veranstaltung, die unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch stand, wurde von der Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt Petra Roth mit einem Grußwort eröffnet.

Die Vorsitzende der Stiftung, die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach wies in ihrer Rede darauf hin, dass die deutschen Heimatvertriebenen die Idee zur Gründung der Stiftung aus der Erkenntnis heraus geboren hätten, dass es nötig ist, "nicht im eigenen Leide, in persönlichen traumatischen Erinnerungen zu verharren, sondern ein Instrument zu schaffen, das dazu beiträgt, Vertreibungen und Genozid grundsätzlich als Mittel von Politik zu ächten." Erika Steinbach formulierte vier gleichrangige Aufgaben für die Sitftung.

1. In einem Gesamtüberblick in Berlin das Schicksal der mehr als 15 Millionen deutschen Deportations- und Vertreibungsopfer aus ganz Mittel-, Ost- und Südosteuropa mit ihrer Kultur und ihrer Siedlungsgeschichte erfahrbar zu machen.
2. Die Veränderungen Deutschlands durch die Integration Millionen entwurzelter Landsleute mit den Auswirkungen auf alle Lebensbereiche auszuleuchten.
3. Vertreibungen und Genozid auch an anderen Völkern insbesondere in Europa erfahrbar zu machen.
4. Einen Menschenrechtspreis zu verleihen, mit dem Menschen ausgezeichnet werden, die durch ihr Handeln das Verantwortungsbewußtsein dafür schärfen, dass die Verletzungen von Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung und die bewußte Zerstörung nationaler, ethnischer und religiöser Gruppen für die Völkergemeinschaft nicht hinnehmbar sind.

Wörtlich sagte Erika Steinbach: "Alle Opfer von Genozid und Vertreibung brauchen einen Platz in unseren Herzen und im historischen Gedächtnis. Einen solchen Platz wollen wir mit der Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN geben. Wir wollen deutlich machen, dass Menschenrechte unteilbar sind. Unverzichtbar gehört der Dialog mit unseren Nachbarvölkern dazu....

Wir brauchen und wir wollen ein versöhntes Europa, in dem die Völker friedvoll miteinander leben können. Unsere europäischen Völker leben bewusst oder unbewusst auf einem gemeinsamen kulturellen Fundament. In schöpferischem Geist erwuchsen über die Jahrhunderte Musik, Literatur, Philosophie, Baukunst und Malerei. Die Menschen unseres Kontinents verbindet unendlich viel mehr als sie trennt, trotz der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts."

Mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis wurden ausgezeichnet: Dr. Mihran Dabag, der Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum, für seine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Genozidforschung zur Geschichte der Armenierverfolgung und zu ihren heutigen Implikationen sowie die Initiatoren des "Kreuzes der Versöhnung" in Wekelsdorf / Teplice nad Metuji Vera Vitova, ehemals Bürgermeisterin von Wekelsdorf / Teplice nad Metuji, Petr Kulisek, Vorsitzender von INEX und Jan Pinos, Vorsitzender von TUZ se, Broumovsko für ein mutiges Zeichen des Dialogs zwischen Deutschen und Tschechen.

Mit der Verleihung des Doppelpreises wollte die Jury sowohl eine mutige Tat in einem schwierigen politischen Umfeld als auch die wissenschaftliche Arbeit in einer fast vergessenen Menschenrechtsfrage würdigen.

Die Laudatio auf Dr. Dabag hielt der Schriftsteller Dr. Ralph Giordano. In erschütternden Worten schilderte er den Völkermord an den Armeniern und fand herzliche Worte der Anerkennung für den Preisträger. Wörtlich sagte er: "Mir ist niemand bekannt, keiner, der seine Person so eingeboren hinter die Aufgabe stellt, wie Mihran Dabag - und ich nehme mich selbst dabei nicht aus." Bezogen auf die Arbeit des ZENTRUMS GEGEN VERTREIBUNGEN führte er aus: "Die Humanitas ist unteilbar! Die Vorgeschichte der Vertreibung rechtfertigt kein einziges Verbrechen, keine einzige Menschenrechtsverletzung an den Vertriebenen. Aber ohne die Vorgeschichte der Vertreibung hätte es kein einziges Verbrechen an Vertriebenen, keine einzige Menschenrechtsverletzung, keine Geschichte der Vertreibung gegeben!. Wer die Vorgeschichte der Vertreibung verdrängt, verstößt gegen die Unteilbarkeit der Humanitas, wie der, der die Nachgeschichte ausblendet".

Die Laudatio auf die tschechischen Preisträger hielt der Vorsitzende der Stiftung Prof. Dr. Peter Glotz. Er sagte nach einem Blick auf die Ereignisse in Wekelsdorf im Juni/Juli 1945 wörtlich: "Gegen diesen nationalistischen Hass haben sich die Initiatoren durch ihr Versöhnungskreuz gewehrt und zwar sicher in Kenntnis der Tatsache, dass sie viel Widerspruch in ihrer eigenen Gesellschaft ernten würden. Das verdient hohen Respekt von uns allen, nicht nur von Tschechen und Deutschen."

Es folgten Dankesreden der Preisträger und die Festansprache des Herausgebers der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Berthold Kohler.

Der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis wird alle zwei Jahre verliehen und ist insgesamt mit 10.000 EUR dotiert.

Die Reden können unter der Telefon-Nr.: 0228 / 37 28 575 abgerufen werden.