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Herta Müller erhält Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2009

Bereits am 1. Oktober 2009 hat die Jury des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises einstimmig beschlossen, Herta Müller mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2009 der Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN auszuzeichnen. Die große deutsche Schriftstellerin aus Rumänien, die zur großen Freude der Jury inzwischen auch Preisträgerin des diesjährigen Literaturnobelpreises geworden ist, erhält den Preis insbesondere für ihr Buch "Atemschaukel".

Das ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN würdigt damit, dass Herta Müller in diesem Werk mit der fiktionalen Autobiographie des von Hermannstadt ins ukrainische Lager Nowo-Gorlowka deportieren Leopold Auberg das grausame Schicksal der in sowjetische Lager deportierten Deutschen in das Licht der Öffentlichkeit geholt und dem vielfältigen Schrecken des Lagerlebens literarisch einzigartig Ausdruck gegeben hat. Darüber hinaus hat dieses Buch auch große Bedeutung für die Millionen in den Gulag Deportierten anderer Völker. Es macht eindringlich deutlich, dass auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Menschenrechte in weiten Teilen Europas keine Heimstatt hatten.

Die Preisverleihung erfolgt am 1. November 2009 um 15.00 Uhr in der Frankfurter Paulskirche.

Herta Müller wurde am 17. August 1953 in Nitzkydorf im Banat/Rumänien geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Temeswar Germanistik und rumänische Literatur. Ab 1976 arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wurde allerdings 1979 nach ihrer Weigerung, mit der rumänischen Securitate zusammenzuarbeiten, entlassen. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit zeitweiliger Lehrtätigkeit in Schulen und Kindergärten sowie mit privatem Deutschunterricht. 1987 reiste Herta Müller in die Bundesrepublik Deutschland aus. In den folgenden Jahren erhielt sie eine Reihe von Lehraufträgen als "Writer in residence" an Universitäten im In- und Ausland. 2005 war sie "Heiner-Müller-Gastprofessorin" an der Freien Universität in Berlin, wo sie heute lebt.
Seit 1995 ist sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Sie ist Preisträgerin mehrerer Literaturpreise.

Nach zahlreichen Büchern, die sich immer wieder mit den Schrecken der Diktatur auseinandersetzten, hat sie sich nun mit ihrem Buch über den Gulag an "den Nullpunkt der Existenz" herangewagt, wie es Oskar Pastior, der diesem Buch seine Stimmte mitgab, ausdrückte.

Als Rumänien nach dem Vormarsch der Roten Armee dem bis dahin verbündeten Deutschen Reich im August 1944 den Krieg erklärte, wurden die noch in Rumänien lebenden Deutschen zwischen 17 und 45 Jahren - rund 80.000 - zur Zwangsarbeit in sowjetische Arbeitslager deportiert. Darunter auch Herta Müllers Mutter.

"Seit ich denken kann, sagt meine Mutter: Kälte ist schlimmer als Hunger. Oder: Wind ist kälter als Schnee. Oder: Eine warme Kartoffel ist ein warmes Bett. Von meiner Kindheit bis heute, seit über fünfzig Jahren, hat meine Mutter diese Sätze um kein Wort geändert. Sie werden immer einzeln gesagt, weil jeder dieser Sätze für sich genommen fünf Jahre Arbeitslager enthält."
Als Herta Müller wissen will, was hinter diesen Sätzen steht, beginnt sie zu recherchieren. Aber erst aus den Erinnerungen und Erzählungen ihres Kollegen und Freundes Oskar Pastior, der mit 17 Jahren in die Ukraine verschleppt worden war, konnte sie ein anschauliches Bild vom Lageralltag gewinnen und so dem Schrecken des Lagerlebens Ausdruck verleihen. Mit ihrem Buch "Atemschaukel" gibt Herta Müller den Millionen von Lagerhäftlingen, nicht nur den Deutschen aus Rumänien sondern auch anderer Völker, ihre Würde zurück.

Der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis
Die Auszeichnung ist benannt nach dem großen Schriftsteller Franz Werfel (1890 – 1945), der mit seinem Roman "Die 40 Tage des Musa Dagh" die Vertreibung der Armenier aus der Türkei und den Genozid an den Armeniern eindringlich, wirkungsvoll und mit großer künstlerischer Gestaltungskraft dargestellt hat. Der große jüdische Lyriker und Romancier Franz Werfel ist auch in seinem persönlichen Leben ein sprechendes Beispiel für das Schicksal der Vertreibung. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten aus der preußischen Dichterakademie ausgeschlossen. 1938 musste er nach Frankreich flüchten. Von dort entkam er in abenteuerlicher Flucht über die Pyrenäen. 1940 kam er von Portugal aus nach Amerika, wo er bis zu seinem Tod 1945 in Beverley Hills lebte. Die Erbin Franz Werfels, Marina Mahler, hat dem ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN die Benutzung des Namens mit Brief vom 17.1.2002 gestattet.

Der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis wird an Einzelpersonen, Initiativen oder Gruppen verliehen, die sich gegen die Verletzung von Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung und die bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer, rassischer oder religiöser Gruppe gewandt haben. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen. Er ist mit 10.000 € dotiert.

Mitglieder der Jury:
Dr. Otto v. Habsburg, Dr. Klaus Hänsch, Dr. Helga Hirsch, Milan Horacek, Hilmar Kopper, Dr. Otto Graf Lambsdorff, Prof. Dr. Rüdiger Safranski, Erika Steinbach MdB.

Bisherige Preisträger:

2007 György Konrad, Schriftsteller

2005 Bischof Dr. Franjo Komarica, Bischof der Diözese Banja Luka
2003 Dr. Mihran Dabag, Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum

Die Initiatoren des "Kreuzes der Versöhnung" in Wekelsdorf / Teplice nad Metuji
Vera Vitova, ehemals Bürgermeisterin von Wekelsdorf / Teplice nad Metuji

Petr Kulisek, Vorsitzender von INEX und

Jan Pinos, Vorsitzender von TUZ se, Broumovsko.