Titelbild Aufgaben und Ziele

Aufgaben und Ziele

Aus dem Geist der Versöhnung mit allen Nachbarvölkern wurde die Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN gegründet. Sie steht in Solidarität zu allen Opfern von Vertreibung und Genozid.

Der Stiftung sind vier gleichrangige Aufgaben gestellt, deren Kern immer die Menschenrechte sind:
 

    Erstens:

In einem Gesamtüberblick soll in Berlin das Schicksal der mehr als 15 Millionen deutschen Deportations- und Vertreibungsopfer aus ganz Mittel-, Ost- und Südosteuropa mit ihrer Kultur und ihrer Siedlungsgeschichte genauso erfahrbar werden, wie das Schicksal der 4 Mio. deutschen Spätaussiedler, die seit den 50er, vor allem seit Ende der 80er Jahre in die Bundesrepublik Deutschland oder die frühere DDR kamen. Diese Vertriebenen und Deportierten hatten ihre Heimat in ganz Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Dort siedelten sie seit Jahrhunderten. Viele Tausende davon durchlitten Jahre von Zwangsarbeit und Lagerhaft. Fast 2,5 Millionen Kinder, Frauen und Männer haben die Torturen von Vertreibung, Folter, Zwangsarbeit oder monatelanger Vergewaltigung nicht überlebt. Mit diesem Schicksal dürfen die Menschen nicht allein gelassen werden. Es ist gesamtdeutsche Aufgabe.
 

    Zweitens:

Wir wollen die Veränderungen Deutschlands durch die Integration Millionen entwurzelter Landsleute mit den Auswirkungen auf alle Lebensbereiche ausleuchten. Der Soziologe Eugen Lemberg hat schon 1950 von der "Entstehung eines neuen Volkes aus Binnendeutschen und Ostvertriebenen" gesprochen. Tatsächlich blieb z.B. von der konfessionellen Struktur in Deutschland nichts mehr so, wie es weithin seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 gewesen war.

Das "unsichtbare Fluchtgepäck", wie es die Dichterin Gertrud Fussenegger nannte, war auch technisches, handwerkliches, landwirtschaftliches oder akademisches know how. Hinzu kam sieben-, achthundertjährige eigenständige kulturelle Identität und Erfahrungen im Neben- und Miteinander mit slawischen, madjarischen, baltischen oder rumänischen Nachbarn. Die deutschen Heimatvertriebenen haben interkulturelle Kompetenz hierher mitgebracht. Mit ihrem frühen Bekenntnis zu einem Europa, in dem die Völker in Frieden miteinander leben, waren sie den meisten Menschen in Deutschland voraus. Warum? Sie wissen intensiver als viele andere, dass Europa nicht an Oder und Neiße oder am Bayerischen Wald endet. Der französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser hat die Integration der Vertriebenen als die größte sozial- und wirtschaftspolitische Aufgabe bezeichnet, die von Deutschland gemeistert worden sei. Dennoch ist diese grandiose Leistung hier im Lande praktisch unverarbeitet und weithin unbekannt.
 

    Drittens:

gehören unverzichtbar zum ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN auch Vertreibung und Genozid an anderen Völkern, insbesondere in Europa. Allein in Europa waren bzw. sind mehr als 30 Volksgruppen von solchen Menschenrechtsverletzungen betroffen. Von den Albanern, Armeniern, Azeris über die Esten, Georgier, Inguschen, Krim-Tataren, Polen, Tschetschenen, Urkrainern bis zu den Weißrussen und griechischen Zyprioten und die singuläre Verfolgung und Massenvernichtung der Juden Europas durch den Nationalsozialismus.

Über den Genozid 1914/15 am armenischen Volk durch das Osmanische Reich hat die Völkergemeinschaft indolent hinweggesehen. Ethnische "Flurbereinigung" durch Zwangsumsiedlungen wurden 1922 vom Völkerbund nicht nur geduldet, sondern selbst beschlossen, und Hitler kalkulierte mit dem Desinteresse der Völkergemeinschaft bei seinen horriblen Vernichtungsplänen. Er setzte Schritt um Schritt sein grausames Werk an unseren jüdischen Mitbürgern und an den europäischen Juden fort.
Er öffnete die Büchse der Pandora vollständig. Und so gab es auch nach ihm kein Halten. Neben der Vertreibung der Deutschen liefen die Vertreibung der Ostpolen durch Stalin und auch die der Ungarn durch Beneš im Nachkriegszeitraum ab.
Auf dem Balkan und in Tschetschenien sehen wir bis heute Bilder der Gewalt, getrieben von Rache und Vergeltung in einem Teufelskreis. Von anderen Kontinenten gar nicht zu sprechen. Gründe der Rechtfertigung dafür werden immer wieder gesucht. Es gibt sie nicht! Vertreibung und Genozid lassen sich niemals rechtfertigen. Sie sind immer ein Verbrechen, sie widersprechen den Menschenrechten und sie verharren im archaischen Denken von Blutrache. Das will die Stiftung nicht hinnehmen, sondern immer wieder mahnen und die Menschen bewegen, mitzufühlen und Anteil zu nehmen.
Alle Opfer von Genozid und Vertreibung brauchen einen Platz in unseren Herzen und im historischen Gedächtnis. Einen solchen Platz will die Stiftung ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN geben. Wir wollen deutlich machen, dass Menschenrechte unteilbar sind. Unverzichtbar gehört der Dialog mit unseren Nachbarvölkern dazu.
 

    Viertens:

gehört zu den Stiftungsaufgaben die Verleihung eines Preises, mit dem Menschen ausgezeichnet werden, die durch ihr Handeln das Verantwortungsbewusstsein schärfen. Der Preis kann an Einzelpersonen, aber auch an Initiativen oder Gruppen verliehen werden, die sich gegen die Verletzung von Menschenrechten durch Völkermord, Vertreibung und die bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer oder religiöser Gruppen gewandt haben.

Die Preisverleihung erfolgt auf der Grundlage des IV. Haager Abkommens von 1907, das ausdrücklich die Zivilbevölkerung während und nach kriegerischen Handlungen unter Schutz stellte. Sie erfolgt auf der Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, des Internationalen Paktes von 1966, der Entschließung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen von 1998, aber auch der Kopenhagener Kriterien des Europäischen Rates von 1993.
Wer in diesem Sinne beispielgebend politisch, künstlerisch, philosophisch oder durch praktische Leistungen gewirkt hat, kann durch diesen Preis ausgezeichnet werden.

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